9. Januar 2013

Luftlos sein.

Die Tür fällt ins Schloss; er ist zu Hause. Ein zu Hause, das weit mehr ist als nur die Wände, Decken und Möbel. Es ist das Daheim nach dem er sich lange gesehnt hat. Er weiss, dass er zuviel arbeitet, dass er in letzter Zeit vieles vernachlässigt hat. Und er ist froh, dass seine Frau keinen Druck auf ihn ausübt. Es ist immer alles in Ordnung. Hier, in seinem Daheim. Er streift seine Schuhe ab und lauscht der Stille. Die Kinder sind noch in der Schule. Was eben noch eine Annahme war, bestätigt sich mit dem Erklingen von sanften Tönen. Seine Frau liegt derweil in der Wanne und singt. Sie hat ihn kaum so früh erwartet. Und er kann es seinerseits kaum erwarten sie zu sehen. Er fühlt die Wärme des Wassers. Ihre Haut. Nur der Weg in die Küche, wo der Rotwein steht, trennt ihn vor seiner Phantasie. Auf dem Küchentisch steht ein Weinglas; halbleer. Und vor ihm liegt ein Brief.
«Ich mag, wie du mich anschaust. Dein Blick erzeugt in mir das Gefühl der Vollkommenheit. In deiner Gegenwart fühle ich mich attraktiv, interessant, einzigartig. Du verstehst es mich lebendig fühlen zu lassen. Ich mag, wie du über mein Haar streichst. Deine Hände auf meinem Körper erfüllen mich mit Wärme. Ich liebe es, dir beim Schlafen zuzusehen und mich eng an dich zu schmiegen. Mich schlafend zu stellen, während du mich verführst ist eines der schönsten Spiele überhaupt. Ich begehre dich so sehr. Und danke dir für jeden Moment, in dem du dein Begehren mir gegenüber zeigst. Dich in mir zu spüren haucht meinem Körper Leben ein. Ich mag es, wenn du mir Kaffee kochst. Und wenn wir barfuss durchs feuchte Gras gehen. Ich mag so vieles an, mit und wegen dir. Mit dir Fahrradfahren und dabei meine Arme auszustrecken. Weisst du eigentlich, wie glücklich ich mich dabei jeweils fühle? Nein, du kannst es nicht wissen, aber glaub mir, es ist raubt mir den Atem. Du raubst mir den Atem (...)».
Er lässt den Brief fallen,  zieht seine Schuhe an und geht. Sein Fahrrad steht in der Garage. Und seit über zehn Jahren ist die Luft raus. Endgültig.

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