27. Juni 2012

Von Sinnen sein.



Sie schreit still.
Er hört sie nicht.
Mach die Augen auf,
dann siehst du ihre Schreie.
Es ist unübersehbar.
Unüberhörbar.
Nimm ihre Hand,
dann spürst du die Kälte.
Steh ihr mit allen Sinnen gegenüber.
Dann fühlst du.
Es wird höchste Zeit.

26. Juni 2012

Lebendig sein.

Originalbild: Alin Ciortea
Endhaltestelle Wien Westbahnhof. Die Stadt, die seit langem weit oben auf Amiras Wunschliste steht, ist zum Greifen nah. Sie wollte nicht alleine reisen, aber der Zufall wollte es so. Die unterhaltsame Gesellschaft während der achtstündigen Zugfahrt kam ihr umso mehr entgegen.
Salome ist ihr bereits auf dem Bahnsteig aufgefallen. Sie war so quirlig und damit das pure Gegenteil von Amira. Es war nicht immer so, aber die letzten Jahre haben bei Amira eine Müdigkeit zurück gelassen, die unweigerlich an ihrer Lebendig- und Fröhlichkeit nagt. Es gibt Tage an denen sie sich im Spiegel nicht mehr erkennen kann. Und will.
Dagegen waren die acht Stunden mit Salome einfach nur erfrischend. Amira fühlte sich wohl, lebendig, jung. Das baldige Ende der Zugfahrt stimmte sie beinahe traurig, weil damit wohl auch die Begegnung ein Ende finden würde. Sie war erstaunt, als Salome vorschlug eine gemeinsame Bleibe zu suchen. Salome war bereits einmal in Wien und kannte ein gutes Hotel mitten im Zentrum. So kam es, dass die beiden kurze Zeit später im «25hours Hotel» eincheckten.
Amira brachte ihre Freude über die weitere Entwicklung des Tages mit einer Einladung zum Nachtessen zum Ausdruck. Das Essen, der Wein, die Gespräche und die Stimmung; es gab scheinbar nichts, was diesem Abend einen Minuspunkt einheimsen hätte können.
Zurück im Hotel war das Reiseadrenalin aber aufgebraucht und die Müdigkeit machte sie bei beiden bemerkbar. Salome zog sich als erste ins Badezimmer zurück, bevor sie es sich kurze Zeit später im Bett gemütlich machte. Während sich Amira die Zähne putzt, betrachtet sie sich im Spiegel. Sie sieht darin Augen einer zwar müden, aber zufriedenen jungen Frau. Es ist da ein Leuchten, dass sie schon lange nicht mehr bei sich erkennen konnte. Mit einem Lächeln knipst sie das Licht im Badezimmer ab und legt sich ebenfalls ins Bett.
Die Dunkelheit war längst um die Häuserecken gezogen, nur das Licht einer entfernten Strassenlaterne sucht sich den Weg ins Zimmer. Ein schmaler Lichtstreifen zeichnete sich auf der weissen Bettdecke ab. Auch noch dann, als sich Salomes Bauch bereits gleichmässig hebt und senkt und ihr Atem ruhig und rhythmisch geworden ist. Amira betrachtet die noch vor kurzem fremde Frau im spärlichen Licht. Der Deckenrand liegt knapp über den Hüftknochen und gibt den nackten Oberkörper frei. Der Lichtstrahl verläuft quer über Salomes Bauch.
Amira weiss nicht, wieso sie sich durch diese Frau so angezogen fühlt. Zuerst war es die Lebendigkeit, die sie in einen Bann ziehen vermochte. Jetzt war es ihr Körper. Sie schämt sich für ihre Erregung und ihre lustvollen Gedanken. Für ihren Atem, der plötzlich schneller geht. Für ihre erregierten Brustwarzen. Es ist kein Traum, der ihr die Wärme in den Schoss legt. Es ist eine Frau. Eine Frau, die da direkt neben ihr liegt. Schlafend. Bezaubernd. Von Begierde gefangen liegt sie da. Wie in Trance sucht ihre linke Hand Salomes Bauch. Sie berührt ihn voller Zärtlichkeit und Sanftheit. Amira stockt der Atem. Sie zieht ihre Hand zurück, als sich Salome räuspert.

«Hör nicht auf», flüstert Salome in die träge Dunkelheit. Sie hat nie geschlafen. Die Decke ist nicht durch einen unruhigen Schlaf vom Oberkörper geglitten. Amira rückt näher, kann Salomes Atem an ihrem Hals spüren. Sanft wird sie von der Wärme umhüllt. Sie zeichnet mit der Fingerkuppe Linien auf den Bauch, wandert höher und kreist sanft um Salomes Brustwarzen. Sie stützt sie sich mit den Händen leicht ab und dort, wo vor kurzem ihre Finger die samtweiche Haut liebkosten, bewegt sich nun ihre Zunge. Amira hebt ihren Kopf und blickt Salome direkt in die Augen. Sie bewegt sich weiter über den Hals zu ihren Lippen. Sie setzt die ihren dagegen, die Lippen öffnen sich. Die Erregung schwängert die Luft. Sie küssen sich innig. Salome dreht sich mit einer behutsamen Bewegung, fährt dort weiter, wo Amira kurz zuvor aufgehört hat. Sie wandert langsam tiefer. Über den Hals, zu den Brüsten, über den Bauch. Sie küsst ihre Scham. Amira stöhnt leise, als sie spürt, wie sich Salomes Zunge bewegt. Sanft schiebt sie ihr Bein zwischen Salomes Beine und spürt die Wärme des Schosses. Salome kreist mit ihrem Becken auf Amiras Bein.
Sie lassen sich fallen und blenden alles aus. Reduziert auf ihre Empfindungen. Benommen blinzeln sie gelegentlich und ihre Blicke kreuzen sich. Kein fragender Blick, nichts bedarf einer Antwort.
Als Amira am nächsten Morgen aufwacht, ist sie wieder alleine. Nur ein Zettel erinnert an das Erlebte.



«Du warst und bist wundervoll. Bewahr das Leuchten in deinen Augen.»

Amira zieht die Bettdecke bis unter den Hals, schliesst ihre Augen. Sie spürt noch immer Salomes Hände, ihren Atem und ihre Wärme. Sie lächelt und fällt erneut in einen tiefen Schlaf.

20. Juni 2012

Verkocht sein.

Was, wenn alles da ist und trotzdem etwas fehlt?
Man kocht, probiert und findet nicht heraus, was fern ist. Vielleicht steht das Gewürz einfach nicht im Schrank. Oder man ist ein schlechter Koch. Hat kein Händchen dafür die Zutaten richtig zusammen zu stellen.
Die Pfannen sind unlängst abgewaschen. Das Essen weggeworfen. Der Pizzamann schon wieder weg.
Das Leben ist kein Gericht. Und kein Schläckstängel.