16. April 2013

Anders sein.

Originalbild: Kjaeremandag 
Er fährt die Strecke seit 25 Jahren. Genauso lange arbeitet er schon in der Firma. Und seit ebenfalls 9234 Tagen packt ihm seine Frau jeden Freitag eine Portion vom Fischeintopf in seine Tasche. Er mag Routine. Er mag Gleiches. Er kennt die Strecke auswendig, genauso wie viele der Fahrgäste. Einige davon kommen und gehen. Andere bleiben. Doch in letzter Zeit kamen viele von denen dazu, die er überhaupt nicht mag. Sie riechen anders. Sie sprechen eine andere Sprache und haben manchmal sogar eine andere Hautfarbe. Sie gefällt ihm nicht, diese Veränderung. Er mag sie nicht, die, die anders sind. Er spricht normalerweise nicht viel, doch heute ist alles anders. Er sucht nach verletzenden Worten, hebt seine Stimme, fuchtelt mit den Armen. «Gesindel, Diebe, Schmarotzer, kriminell, faul, dreckig.» Es sind da viele Worte. Und es sind da viele Fahrgäste. Fahrgäste, die stumm bleiben. Niemand schreitet ein. Nur ein kleiner Junge fragt den alten Mann, wieso er denn so schimpfe. «Na, weil sie uns die Arbeit wegnehmen, nichts taugen und böse sind. Weil sie einfach anders sind.» Der kleine Junge entgegnet ihm, dass er doch auch anders sei als dieser Mann, ihn aber deswegen niemand beschimpfen würde. Und auch keiner habe etwas wegen seines stinkenden Fisches in seiner Tasche gesagt. Und sowieso, er sei nämlich auch anders, er habe als einziger in der Klasse eine Zahnlücke. Doch keiner habe ihn deswegen verhauen. «Es gibt doch eigentlich nur Andere.» Der alte Mann bleibt stumm. Nur der Andere lächelt dem kleinen Jungen zu. Und hofft, dass dieser kleine Junge in einigen Jahren noch immer so denken wird.

2 Kommentare:

typ hat gesagt…

Ein toller Junge. Ich war beim Lesen eigentlich ziemlich verdutzt wegen der Verzweiflung, als der Junge aber vom "stinkenden Fisch" anfing, musste ich lachen.^^

Und es ist ja so wahr. Sich von anderen abzuschotten ist einfach, sich aber damit zu arrangieren, ist manchmal harte Arbeit, nicht immer einfach.

(Ich dachte mir bei Profiltexten wie "Ich bin ... anders als die anderen" auch jedes Mal, natürlich bist du das, sonst wären es ja nicht die anderen.. ^^)

Missscheinsein hat gesagt…

Der Junge ist ein Vorbild. Und eben, er ist auch anders. Wie alle. Anders und eben doch gleich. Gleichwertig.